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Demokratischer(er) Musikunterricht

“Was wünscht du dir?” haben wir die Kinder meiner Klasse am Anfang des Schuljahres gefragt. “Bessere Noten” war die häufigste Antwort. So verständlich dieser Wunsch im vorhandenen Schulsystem auch ist, er bleibt zutiefst problematisch. Ich habe mich gefragt: Wie kann Musikunterricht das “Was-wünscht-du-dir?”, also Neugier und Partizipation ins Zentrum und die Benotung in den Hintergrund rücken? Mit mehr Demokratiebildung?

Demokratiebildung

“Es genügt nicht, Demokratiebildung auf eine Unterrichtseinheit zu reduzieren.” (Dejan Mihajlović)

“Demokratiebildung ist ein Add-on: Wenn alles andere läuft, können wir uns darum kümmern.” (Marina Weisband)

Diese beiden Zitate decken sich mit meiner Wahrnehmung, wie schwer es Partizipation und echte Demokratiebildung in der (Regel-)Schule haben. Demokratiebildung steht zwar in allen Bildungsplänen – nicht nur in Baden-Württemberg (hier der “Leitfaden Demokratiebildung” aus BaWü) -, aber im Schulalltag an einem normalen Gymnasium taucht sie selten auf. Der Leitfaden fordert aber gerade: Demokratie muss erlebt werden.

An meiner Schule haben wir deshalb die Partizipationsplattform AULA eingeführt. Doch die Schulgemeinschaft tut sich schwer damit, Dinge ins Rollen zu bringen. Es fehlen bislang Zeit und Ressourcen, um Ideen und Projekte voranzubringen. Immerhin haben wir diese tolle Plattform, aber für eine demokratische Schulkultur muss sie mit Leben gefüllt werden. Und so ist es sehr folgerichtig, dass sich das Bildungskollektiv Kairós in Freiburg auf den Weg macht, die Weiterbildung für Lehrkräfte und Studierende demokratisch zu gestalten.

Und der Blick in den Unterricht zeigt: Bislang wird Schülerinnen und Schülern in der Regel vorgeben, wann, wie und was sie lernen sollen. Dass das auch ganz anders gedacht werden kann, zeigen beispielsweise die Freien Demokratischen Schulen, wie die Kapriole in Freiburg. Dort entscheiden die Lernenden über “wann”, “wie” und “was” sie lernen wollen. Wie kann das im Musikunterricht umgesetzt werden?

Mehr Mitbestimmung

Im Musikunterricht gilt weitestgehend, dass die zu lernende Musiktheorie feststeht, dass bestimmte Musikepochen bearbeitet werden müssen oder dass die Lehrperson Musikstücke auswählt, die praktisch erarbeitet werden sollen. Die Methoden werden vorgegeben, die Überprüfung in Form von Tests oder Klassenarbeiten wird direkt am Anfang des Schuljahres als “Notentransparenz” abgehakt. Vielleicht können sich die Kinder hier und da mal ein Musikstück wünschen. All das finde ich aus der Perspektive der Partizipation und der Demokratiebildung problematisch, weil Schülerinnen und Schüler in der Schule lernen, dass fast alles vorweg entschieden ist und dass ihre eigenen Interessen und Zugänge zur Musik nur am Rande in Erscheinung treten. Oft ist den Schülerinnen und Schülern gar nicht bewusst, wie ihre Musikbegeisterung mit dem Musikunterricht zusammenhängen könnte. Demokratische Mitbestimmung würde aber genau das Gegenteil bedeuten. Im Leitfaden Demokratiebildung werden folgende Ideen für künstlerisch-musische Fächer vorgeschlagen:

“Künstlerisch-musische Fächer und Demokratiebildung” aus dem Leitfaden Demokratiebildung (S. 43)

Es gibt viele tolle Ideen mehr Mitbestimmung in den Unterricht zu holen und letztlich haben die Lehrpersonen jede Menge Freiheiten diese Ansätze im Unterricht umzusetzen. Besonders wegweisend finde ich aber, wie meine roten Markierungen hervorheben, dass die Ideen und das gemeinsame Entwickeln und Abstimmen sowie individuelle Zugangsweisen explizit im Leitfaden vorgesehen sind. Auf der internationalen Musikpädagogik-Konferenz EAS in Freiburg im letzten Jahr habe ich daher einen kleinen Impuls von mir “Teaching music in school for me is… CO-PLANING MUSIC LESSONS” überschrieben und das Thema auch in einem Seminar von Elisabeth Theisohn an der Freiburger Musikhochschule diskutiert. Besonders inspiriert wurde ich von Bettina Küntzel, die ihren Musikunterricht sehr konsequent von den Schülerinnen und Schülern mitgestalten lässt. Im Lugert-Podcast führt sie ihre Herangehensweise aus:

Lugert-Podcast-Folge 13 mit Bettina Küntzel

Ideen für mehr Demokratie im Musikunterricht


Hier meine skizzenhaften Ideen, wie ich den Musikunterricht vor diesem Hintergrund demokratisch(er) gestalte.

Den Bildungsplan mit den Schülerinnen und Schülern nach Interessen und deren Ideen abklopfen und gemeinsam Unterrichtsideen entwickeln (das ist auch aus Gründen der Transparenz empfehlenswert)
Projekte gemeinsam planen, Lernprodukte festlegen, Feedback einholen
Klassenarbeiten oder Klausuren zusammen planen
Interviews mit Musikschaffenden organisieren, planen und durchführen (live oder mit Sprachnachrichten)

Ein Mittelweg

So sieht derzeit mein Mittelweg aus zwischen “ich bin am Gymnasium” und “ich möchte den Ansatz der demokratischen Schulen verfolgen”. Denn hinter letzterem steht für mich, dass Schülerinnen und Schüler mündig werden, dass sie ernst genommen werden und dass sie ihre Neugier nicht verlieren. Übergeordnet versuche ich damit einen kleinen Beitrag zur Demokratiebildung zu leisten. Im Schulsystem stoße ich aber immer wieder an Grenzen, weil die Zeit knapp ist und der fächerfokussierte Stundenplan festgelegt ist, aber vor allem, weil die Schülerinnen und Schüler anfangs überhaupt nicht gewohnt sind, ihre eigenen Ideen und Wünsche in den Unterricht einzubringen. Doch darum muss es meiner Meinung nach viel mehr gehen und der Leitfaden Demokratiebildung unterstreicht das ausdrücklich. In der Schule gibt es mehr Freiheiten als man am Anfang vermuten mag und so bieten sich auch in einem demokratischeren Musikunterricht viele Gelegenheiten, am “Was-wünscht-du-dir?” zu arbeiten.

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